„Zedaka“ (hebräisch: Gerechtigkeit) – Jüdische Wohlfahrt und Armenfürsorge bis 1938. 30. Internationale Sommerakademie des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs

„Zedaka“ (hebräisch: Gerechtigkeit) – Jüdische Wohlfahrt und Armenfürsorge bis 1938. 30. Internationale Sommerakademie des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs

Veranstalter
Institut für jüdische Geschichte Österreichs
Veranstaltungsort
Volkskundemuseum Wien, Laudongasse 15-19, 1080 Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
08.07.2020 - 10.07.2020
Deadline
15.12.2019
Von
Dr. Sabine Hödl

Wohltätigkeit ist außer Gebet und religiösem Studium die dritte Ersatzhandlung für das Tempelopfer und trägt somit zum messianischen Erlösungswerk bei. Der Begriff der Zedaka (wörtlich: Gerechtigkeit) umfasst somit sowohl ein religiöses und sozialpolitisches Ideal als auch gesellschaftliche Praxis und individuelles Handeln. Auf Basis der Abgabe des Zehnten (Lev. 27,30-33) sind alle Juden und Jüdinnen zur Wohltätigkeit verpflichtet, theoretisch auch die Armen, sofern sie damit nicht ihre eigene Existenz gefährden.
Dieses grundsätzliche Rechtskonzept entwickelte im Lauf der Jahrhunderte eine enorme Differenzierung, die auch jüdischen Frauen die Möglichkeit zur Partizipation und damit zur Sichtbarkeit im Gemeindeleben bot. Die Bandbreite reichte von „Liebeswerken“ an Bedürftigen, Armen und Sterbenden bis zur Förderung von religiöser und weltlicher Infrastruktur, Bildung und Kunst. Die jeweilige Gestaltung, also Bedingungen, Empfängerkreis, Organisation und Gegenleistung der Empfänger/innen der Spenden, Stiftungen und Verfügungen hing selbstverständlich vom jeweiligen Kontext und von den lokalen und politischen Gegebenheiten ab.
Bereits die Tora und vor allem die Prophetenbücher betonen die politisch-soziale Komponente von Zedaka, nämlich die Wahrung des gesellschaftlichen Ausgleichs und damit des sozialen Friedens. Dem Ideal der Gerechtigkeit, die im Begriff „Zedaka“ zum Ausdruck kommt, entgegengesetzt ist allerdings nicht jede/r Bedürftige würdig, in den Genuss von Wohltätigkeit zu kommen. Bereits der Talmud hierarchisiert die Armenfürsorge – Fremde befinden sich am unteren Ende der Empfängergruppen – und auch in sozialer Hinsicht inkludiert und exkludiert Zedaka. Ihre Zuteilung hängt von einem moralischen Lebenswandel ab, schließt also etwa Prostituierte aus – ein Konzept, das auch in der christlichen Caritas seine Anwendung findet.
Für die Frauengeschichte und Genderforschung bringt das Thema den interessanten Aspekt, dass Zedaka bereits in der Vormoderne eine der seltenen Möglichkeiten für Frauen bot, sich in der Gemeinde und Öffentlichkeit zu positionieren und Ansehen und „Ehre“ zu gewinnen. Dieses Prinzip fand in den zahlreichen Frauen-Wohltätigkeitsvereinen seine Fortsetzung, die – so eine These der Sozialwissenschaften – Pioniereinrichtungen der modernen Sozialarbeit wurden. Daraus ergibt sich die Frage, ob allgemein eine ideologische Verbindung von religiösen Konzepten zu modernen Sozialutopien entstand. Waren die Ideen der sozialdemokratischen wie auch kommunistischen jüdischen Führungspersönlichkeiten vom Konzept der Zedaka beeinflusst?

Die 30. Sommerakademie des Injoest widmet sich vom 8.-10. Juli 2020 diesen Aspekten jüdischer Religions- und Kulturgeschichte. Im Folgenden finden Sie einige Möglichkeiten zu Themenkreisen und Aspekten in einem großen Längsschnitt vom Mittelalter bis 1938, als auch in Österreich die jüdischen Stiftungen und wohltätigen jüdischen Vereine aufgelöst wurden.

- Grundlagen der Zedaka in der rabbinischen Literatur
- Begriffe und Bezeichnungen: Zedaka, Hekdesch, Armenfürsorge, Spende, Stiftung
- Vergleichende Aspekte mit anderen Religionen
- Zedaka als Infrastruktur der jüdischen Gemeinde – Hospitäler und andere Einrichtungen
- Organisation und Abwicklung von Spenden und Stiftungen
- Persönlichkeit der Spender und Spenderinnen: Selbstaussagen zu Motiven und Art der Einrichtung
- Empfängerkreise: Kriterien, Auswahl, Gegenleistung
- Besondere Rollenzuweisungen und „Agency“ für Frauen
- Präsentation einzelner aussagekräftiger Stiftungen
- Maßnahmen für exkludierte Personengruppen
- Armenfürsorge auf dem Land, Versorgung von Fahrenden und Wanderbettlern
- Einfluss des religiösen Konzepts auf moderne Sozialutopien
- Gemischtreligiöse Stiftungen und Aktivitäten, Stiftungen jüdischen Konvertit/innen
- Auflösung von Vereinen und Stiftungen in der NS-Zeit

Wir freuen uns auf Ihre Abstracts (max. 300 Wörter) und Kurzbiografie incl. Publikationen (max. 300 Wörter) und bitten Sie, diese bis 15. Dezember 2019 per E-Mail an Dr. Sabine Hödl (sabine.hoedl@injoest.ac.at) zu senden.
Den Referentinnen und Referenten steht eine halbe Stunde Rede- und 15 Minuten Diskussionszeit zur Verfügung. Die Tagungsorganisation übernimmt für Vortragende die Reise- und Hotelkosten.

(Tagungskonzept: Dr. Martha Keil)

Programm

Kontakt

Sabine Hödl

Dr. Karl Renner-Promenade 22, 3100 St. Pölten

sabine.hoedl@injoest.ac.at

http://www.injoest.ac.at